Perlentonschnüre – Catherine Gordeladze in der Frankfurter Festeburgkirche

Sie ist freigiebig, lässt bei schnellen Läufen Perlenöne aus ihren Fingern prasseln, zieht Perlentonschnüre daraus. Sie verteilt sie generös an die Zuhörer, die trotz des warmen Spätsommerabends in großer Zahl in der Frankfurter Festeburgkirche erschienen sind. In der Chromatischen Fantasie und Fuge d-Moll und der Partita c-Moll von Johann Sebastian Bach sind es noch milchig-weiße Perlen, die etwas dumpfer klingen als die durchsichtigen Glasperlenschnüre, die sie in Frédéric Chopins vier Impromptus oder in dem von Sergej Rachmaninow für Klavier solo bearbeiteten Sätzen „Liebesleid“ und „Liebesfreud“ des Fritz Kreisler herausgleiten lässt.

Catherine Gordeladze, im georgischen Tiflis aufgewachsen, Dozentin an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst und Preisträgerin zahlreicher Klavierpreise – zuletzt wurde sie mit dem Sonderpreis des Bruno-Heck-Preises 2004/05 der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgezeichnet – , spielt kraftvoll, ohne hart zu sein, und mit viel Charakter: So gestaltet sie Bachs Fantasie und Fuge mit gebundenen Halbtonseufzern, herben Staccatospitzen, zarten Portato-Tupfern. Sie spielt den inneren Zwiespalt heraus, den die Stimme im rezitativischen Mittelteil mit sich auszutragen scheint – was von Arpeggien oder fast clusterartig düsteren Sekundklängen kommentiert wird, bevor sich alle Konflikte schließlich im durigen Wohlklang auflösen. Oder sie lässt in den Akkordbrechungen wieder Perlen herunterprasseln, auch mal in üppig pedalisiertes Tönegewässer, setzt das Pedal sonst aber nur sparsam ein.

Zum Fugenthema im Grave adagio Andante aus der Partita von Johann Sebastian Bach zupft Catherine Gordeladze die Bassstimme wie eine Kontrabassistin aus den Tasten, in der melancholischen Sarabande haucht sie risikofreudig Pianissimotöne, setzt im Capriccio spritzige Läufe und sprunghafte, auch akzentuierte Nachschläge dagegen.

Weit auseinanderliegende Intervallsprünge, Oktavläufe und Spreizgriffe arbeitet Catherine Gordeladze nach der Pause in den duftigen vier Impromptus Frédéric Chopins heraus – scheinbar federnd und leicht. Oder sie treibt virtuosverspielte Verzierungsläufe, chromatische Perlentonschnüre, halsbrecherische Akkordbrechungen aus den Fingern – ein purzelbaumschlagender Puck, der durch seinen Sommernachtstraum jagt.

In Kreislers „Liebesleid“ und „Liebesfreud“ wiegt sich Catherine Gordeladze in agogisch verzögerten oder beschleunigten Walzerrhythmen, zieht auch hier chromatische Läufe und Arpeggien von ihrer Perlenkettenschnur, mit großer Gelassenheit, fast sorglos.

Die Zuhörer wollen eine Zugabe: In dem Stück „Spieldose“ des Rimski-Korsakow-Schülers Anatol Ljadov, dessen glasige Melodie- und Zwischentöne sie aus den oberen Lagen des Klaviers anschlägt, beschließt Catherine Gordeladze den Klavierabend.

Quelle: Ulrike Böhmer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 10. September 2005