Klavierabend im Kloster Grünberg (2)

Der Gießener Anzeiger schreibt nach dem Klavierabend im Kloster Grünberg am 23. April 2010:

Gefühlvoller Mozart und mitreißender Jazz

Furioser Klavierabend mit Catherine Gordeladze

Von Tanja Löchel

Technische Präzisionsarbeit und ein immenser Wille zur künstlerischen Gestaltung beherrscht das Spiel der Pianistin Catherine Gordeladze. So stürmisch auch manche Stücke ans Ohr dringen, hier wird nichts dem Zufall überlassen, alles ist Kalkül. Das Ergebnis sind Interpretationen von hoher Individualität, die zudem die jeweilige Stilistik der Werke sehr genau treffen.

Am Freitagabend gastierte die in Tiflis geborene Künstlerin nach langer Zeit wieder im Grünberger Barfüßerkloster. Das anspruchsvolle Programm deckte in chronologischer Reihenfolge Spätbarockes, Klassisches, Romantisches und zeitgenössisch Jazziges ab. Trotz der verschiedenen Epochen hatten die Stücke untereinander Beziehungen.

Vier Sonaten, ursprünglich für Cembalo geschrieben, von Domenico Scarlatti (1685 bis 1757) eröffneten das Konzert. Catherine Gordeladze zeichnete den im Vergleich zum modernen Flügel kürzeren Cembaloton nach. Generell verfügt sie über eine atemberaubend differenzierte Staccatotechnik, die auch in der folgenden Mozart-Sonate zum Einsatz kam. Die ausgeklügelte Pedalarbeit trug auch dazu bei, die Scarlattistücke als barocke Kompositionen wahrzunehmen. Vor allem bewies die Interpretin Gespür für die polyphonen Passagen und die alles würzende Prise Gefühlsausdruck.

Mozarts c-Moll Sonate KV 457, geschrieben für seine Schülerin Therese von Trattner, folgte. Expressive Dramatik und düster Drängendes zeichnen die Ecksätze aus. Sie haben einen schon latent romantischen Charakter, allerdings in symmetrisch klassischer Formgebung. Die Musikerin nahm diese beiden Sätze ebenso ausdrucksstark wie sie geschrieben wurden. Mit den energisch perlenden Läufen brillierte sie, die eingefügten beruhigteren Passagen spielte sie ebenfalls mit Verve und spannte einen Formbogen über die Musik. Der langsame idyllische Satz (Adagio) hatte einen nostalgischen Charakter: ein Nachruf auf eine vergehende Zeit. Gordeladze zeigte hier ihre durchdacht lyrische Seite.

Ungestüme Erregung und ein zartes polnisches Weihnachtslied packte Chopin (1810 bis 1849) in sein erstes Scherzo in h-Moll op. 20. In der Tonartencharakteristik hat das h-Moll die Bedeutung von Tod und Abschied, darüber hinaus einen teuflischen Beigeschmack: Bei der Veröffentlichung in London wurde das Scherzo als „Höllenbankett“ bezeichnet. Ruhelos furios musizierte hier die Pianistin. Die Stellen, die das wiegende Lied (Chopins Andenken an seine Heimat Polen) verarbeiten, spielte sie gefühlsbetont weich wie den langsamen Mozart-Satz. Erregende Passagen leiteten das Finale des Stücks, stark im Ausdruck die Dissonanzen. Drei ausgereift vorgetragene Mazurken Chopins schlossen sich dem an.

Die drei Etüden im Jazz-Stil von Nikolai Kapustin (Jahrgang 1937) rissen alle Zuhörer mit. Catherine Gordeladze erwies sich hier als geniale Rhythmikerin, die auch die vertracktesten Stellen mühelos bewältigte. Das Temperament der Vorträge schwappte über, nach den Stücken wurde spontan applaudiert. Kapustin bediente sich in Intermezzo, Pastoral und Toccatina nicht nur des Jazz-Stiles, sondern auch romantischen wie alten Formen wie der Toccata, die der Sonate und Fantasie nicht unähnlich ist, und so war der Kreis zu Scarlatti geschlossen. Starker Beifall honorierte den Auftritt von Catherine Gordeladze, die sich mit einer Zugabe bedankte.